EMPTY RAVE
Multimedia piece for Percussion quartet, electronics and video performance
Composition: Belenish Moreno-Gil, Oscar Escudero
Premiere:28.08.2024 at Überschlag Festival Hannover
© Simona Bednarek
EMPTY RAVE ist ein 40-minütiges Stück, das aus einer Reflexion über das legendäre Stück Ballet Mécanique von George Antheil zum 100. Jahrestag seiner Uraufführung entsteht und zu einer Fortsetzung aus dem Geist eines Musiktheaters wird, das akustische Instrumente, Elektronik, Mapping-Video, Lichtprogrammierung, maßgefertigte Objekte und Requisiten kombiniert. Mit EMPTY RAVE ermöglicht das Duo Moreno-Gil/Escudero eine Aktualisierung des Balletts nicht nur mittels neuer Technologien, sondern auch im Arbeitsprozess: Die Komponisten entwickeln ihre „spekulative archäologische Übung“ in enger Zusammenarbeit – und führen fort, was Antheil nur beginnen konnte: Die Verbindung zum Digitalen wie zum Dreidimensionalen wird zu einer immersiven Erfahrung von Zeit und Raum
© Simona Bednarek
Durch seine „erweiterte Erzählung“, wie die Komponisten es nennen,
ermöglicht es ein künstlerisches Archiv von Erfahrungen, in dem die
sozioökonomischen Spannungen ebenso wie die Auflösung
anthropologischer Gewissheiten in unserem Verhältnis zur Technologie
auftauchen. Denn auch wenn künstliche Intelligenz trügerische
Erweiterungen der W irklichkeit schafft und damit unsere
Gewohnheiten torpediert, so schaffen die Paradiese und Sackgassen
der KI doch einen sinnlichen Raum, der auch kollektiv erfahrbar – und
vielleicht überhaupt nur kollektiv bewältigt – werden kann. Die
Positionierung des Publikums inmitten der Signale der technischen
Welt und der mit ihnen interagierenden Performer verdeutlicht diese
Sinnsuche: Wer sind wir Menschen inmitten dieser technischen
Instanzen? Können „wir“ überhaupt von „ihnen“ getrennt werden?
Wo finden wir Orientierung im Wald der Signale? Und welche Spiele
können wir angesichts unseres Lebensraums spielen?
Martin Mutschler
© Simona Bednarek
Mit EMPTY RAVE wollten wir schon vom Titel her auf die
epochale Faszination für Technik und Automatisierung
verweisen, die die europäischen Avantgardebewegungen
in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts erlebten.
Vor diesem Hintergrund hat diese Produktion versucht,
die Rollen von Party und Tanz in zeitgenössischen
Gemeinschaftsbildungsmechanismen zu untersuchen und
herauszufinden, wie ihre Resonanzen zur Schaffung
vielfältiger und gemeinsamer Genealogien beitragen
können.
Das Werk basiert auf den grundlegenden Betriebslogiken
generativer künstlicher Intelligenzen, die in weit
verbreiteten Anwendungen wie ChatGPT oder DALL-E
vorhanden sind. Diese Anwendungen stellen eine direkte
Verbindung zwischen Eingabeaufforderung und Ergebnis
her und beseitigen so effektiv den Raum zwischen Wort
und Generierung der Realität, wie der Philosoph Eric
Sadin es beschreibt. Mit anderen Worten, sie heben den
kreativen Akt auf. So äußern die Darsteller Textbefehle,
die auf einer schmalen Linie zwischen automatisiertem
Positivismus und extremer Sinnlichkeit den Raum, den
Klang, das Licht und das Verhalten der Darsteller ständig
verändern. Nach und nach offenbart sich jedoch eine
Leere kreativer Formeln, die sich als treibende Kraft der
Bühnenaktion selbst verschlingt und mit ihr in die intimste
Dimension des Menschen eindringt, in die Ecken, die
vielleicht noch uneinnehmbar bleiben.
Belenish Moreno-Gil & Óscar Escudero